Weltweit sind nach aktuellen Angaben von UNICEF mehr als 200 Millionen Frauen und Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen. Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes geht sogar von einer doppelt so hohen Zahl aus. Auch in Deutschland sind Mädchen dem Risiko ausgesetzt, heimlich hierzulande oder im Ausland an ihren Genitalien verstümmelt zu werden. Terre des Femmes schätzt, dass in Deutschland rund 58.000 Betroffene leben und mehr als 13.000 Mädchen gefährdet sind, diesem nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele einschneidenden Eingriff ausgesetzt zu sein.
„Wir wissen, dass die Praktiken weiblicher Genitalverstümmelung zu schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, lebenslangen Folgeschäden und oft auch zum Tod der betroffenen Mädchen führen können“, so Andrea Schrag, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Harburg. Sie hatte zu der Veranstaltung eingeladen, die in Kooperation mit dem Verein Gleichberechtigung und Vernetzung e.V., der Beratungsstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen des Diakonischen Werkes, der Abteilung Jugend und Familie/Netzwerkkoordination Frühe Hilfen/Kinderschutz im Landkreis Harburg und der Abteilung Gesundheit des Landkreises stattfand. Ziel des Fachtags war es nicht nur, das Thema Genitalverstümmelung zu enttabuisieren, darüber zu informieren und die Fachleute zu sensibilisieren, sondern auch Handlungsstrategien zu entwickeln. „Für viele von uns ist diese Thematik und der Umgang mit Betroffenen weiblicher Genitalverstümmelung relativ neu“, sagte Christine Arndt von der kürzlich eröffneten Beratungsstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen im Landkreis Harburg. „Es gibt viele Fragen und Unsicherheiten. Dieser Fachtag ist ein erster Schritt, um uns im Landkreis zu vernetzen.“ Dabei gehe es auch darum, einen sensiblen Umgang mit betroffenen Mädchen und Frauen zu erlangen und gleichzeitig klar zu benennen, dass Genitalverstümmelung eine schwere Menschenrechtsverletzung ist und einen Verstoß gegen das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit darstellt.
Die Vorträge am Fachtag drehten sich um verschiedene Aspekte des Themas Genitalverstümmelung. So erläuterte Gynäkologe Dr. Christoph Zerm eindrücklich Ursachen, Hintergründe und Folgen der Genitalbeschneidung. Rechtsanwältin Claire Deery beleuchtete straf-, asyl- und aufenthaltsrechtliche Zusammenhänge. Frauke Baller vom Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen berichtete über ihre Arbeit mit betroffenen Frauen und mit welchen Argumenten sie in ihrer Beratung die kulturell verfestigten Riten zu durchbrechen versucht. Silke Gardlo, Projektleiterin von Gleichberechtigung und Vernetzung e.V., informierte über die UN-Frauenrechtskonvention.
„Auch wenn wir an vielen Stellen bestürzt und sprachlos waren, hat der Fachtag gezeigt, wie wichtig es ist, über Genitalverstümmelung zu informieren und das Thema so zu enttabuisieren“, so Andrea Schrag.
Übrigens: Noch bis zum 10. Dezember ist im Foyer des Kreishauses eine Ausstellung zur UN-Frauenrechtskonvention zu sehen. Sie informiert über die Reichweite, Entwicklung sowie Inhalte des CEDAW-Abkommens und stellt auch gleichstellungspolitische Themen dar, die auf kommunalpolitischer Ebene von Bedeutung sind.